Revue d'histoire du XIXe siècle (2012), 44

Titel der Ausgabe 
Revue d'histoire du XIXe siècle (2012), 44
Weiterer Titel 
L’Italie du Risorgimento. Relectures

Erschienen
Erscheint 
zweimal jährlich
Anzahl Seiten
254 S.
Preis
€ 24,00

 

Kontakt

Institution
Revue d'histoire du XIXe siècle
Land
France
c/o
Revue d'histoire du XIXe siècle c/o Centre d'histoire du xixe siècle Université Paris Sorbonne 17, rue de la Sorbonne 75005 Paris Frankreich E-Mail Zeitschrift: <rh19@revues.org> Vertrieb: <Voilliot@aol.com>
Von
König, Mareike

Diese Ausgabe der RH19 ist aktuellen Studien zum Risorgimento gewidmet. Im Folgenden sind die deutschen Abstracts mitangegeben.

Inhaltsverzeichnis

Catherine Brice et Gilles Pecout
Introduction

Alberto Banti
Entretien avec Catherine Brice

Gilles Pecout
Pour une lecture méditerranéenne et transnationale du Risorgimento
Die Einheit Italiens war in erster Linie ein europäisches Abenteuer. Das Risorgimento wird hier ausgehend von einer Reflexion über die internationale Geschichtsschreibung der Einheitsbewegung vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1860 mit einem transnationalen Blick betrachtet, der sich von der traditionellen Geschichte der intellektuellen Einflüsse, der Diplomatie- und der Militärgeschichte unterscheidet. Das mediterrane Risorgimento wird dabei in einer zweifachen Bedeutung gesehen : zum einen als das „heimische Meer“ (Mare Nostrum), ein potentielles Reservoir an geographischen, kulturellen und politischen identitätsstiftenden Bildern ; zum anderen als Raum der Entfaltung und der Beziehung zu den anderen mediterranen Nationen. Entgegen einer national kulturalistischen, „mediterranistischen“ und auf den italienischen Imperialismus zentrierten Sichtweise wird hier die These vertreten, dass das mediterrane Risorgimento ein Raum der Wanderschaft, der Solidarität und der politischen und transnationalen Freundschaft war, wie sich anhand der Freiwilligen und der internationalen und anti-imperialistischen Politik zeigt.

Lucy Riall
Guerre et nation dans l’Italie du Risorgimento
Die italienische nationale Identität wird nur selten mit Krieg assoziiert, und unter den Klischees über das italienische Volk dominieren diejenigen, die es als friedlich, feminin und zurückhaltend gegenüber dem bewaffneten Kampf präsentieren. Dieser Artikel analysiert die Versuche während des Risorgimento, diese Vorstellungen zu kippen. Der Krieg wurde dabei zu einem individuellen Akt der männlichen Rebellion und des Aufhaltens des nationalen Niedergangs. Dieses Bild wurde daher eher ein Aufruf zur Revolution statt ein Instrument des politischen Gehorsams. Anhand der Freiwilligen und des Bildes von Giuseppe Garibaldi, der die Erneuerung durch den militärischen Kampf am meisten verkörperte, wird gezeigt, wie ein militärisches Ideal für demokratische Ideale in den Dienst genommen wurde. Garibaldi spiegelte so eine romantische, emotionale und abweichende Kultur, die nicht im Einklang war mit der strikten Männlichkeit konventioneller Armeen. Aber dieses Ideal fand nicht bei allen Italienern Anklang: Diejenigen, die in den 1860er Jahren für den Papst kämpften, widersetzten sich dieser demokratischen Vorstellung.

Silvana Patriarca
Une émotion patriotique  : la honte et le Risorgimento
Es finden sich zahlreiche Bezugnahmen auf Scham in den politischen Schriften der Patrioten des Risorgimento, egal welchem politischen Spektrum sie angehörten. Scham stand dem Ehrbegriff diametral gegenüber und wurde im Allgemeinen in sexualisierten Begriffen definiert, die die Ohnmacht der Männer, ihre Frauen vor Übergriffen von außen zu schützen (und sie zu kontrollieren) beinhaltete. Obwohl diese sexuelle Konnotation wichtig ist, lässt sich die Figur der Scham nicht auf die Kontrolle der Sexualität der Frauen reduzieren. Basierend auf theoretischen Konstruktionen, die aus der Scham ein relationales oder auf Interaktion basierendes Gefühl machten, zeigt dieser Artikel, wie die patriotischen Schriften (ob öffentlich oder privat, fiktional oder nicht fiktional) eine akute Empfindlichkeit gegenüber dem Blick und der Meinung Fremder zeigten, wie auch den Wunsch, die Erniedrigung der politischen Unterdrückung abzuwälzen. Im Zusammenhang mit einer romantischen Sensibilität spielte das Schamgefühl eine fundamentale Rolle bei der Förderung des politischen Handelns der Jugend. Diese Gefühle wurden bewusst von romantischen Patrioten wie Mazzini geschürt, die darüber nachdachten, was den Einzelnen dazu veranlasste, die nationale Sache zu unterstützen und die versuchten, die notwendige Leidenschaft dafür zu entfachen. Im Zusammenhang mit dem aggressiven Nationalismus am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Scham jedoch insgesamt zu fragwürdigen Zwecken mobilisiert.

Catherine Brice
Monarchie, État et nation en Italie durant le Risorgimento (1831–1870)
In diesem Artikel stellt die Autorin die neuesten Arbeiten über die Monarchie von Piemont-Sardinien vor, die nach 1861 die italienische Dynastie wurde. Das Studium des Hauses Savoyen und seiner Vertreter (Karl Albert, Viktor Emanuel II. und Umberto I. nach 1878) war lange Zeit entweder durch einen fast hagiographischen Ansatz markiert oder umgekehrt, durch eine systematische Denunzierung. Um aus dieser Debatte herauszufinden, entwickelt die Autorin einen eigenen Standpunkt zu einer Reihe von häufig diskutierten Themen (die Art der Statuto, die „Eroberung“ Italiens durch die Piemonteser, den Charakter der nicht-italienischen sardischen Dynastie usw.). Sie zeigt auch, dass die Entwicklung der politischen Geschichte neue Themenfelder eröffnet hat (etwa politische Geselligkeit und Rituale der Macht, die Inszenierung der Monarchie). Dieser Wechsel der Blickrichtung wirft ein neues Licht auf das Verhältnis von Monarchie und Nation nach dem Ende der Restauration bis zum Sturz von Rom im Jahre 1870. Die Autorin zeigt somit die zentrale Stellung der Monarchie in der Geschichte Italiens des neunzehnten Jahrhunderts.

Simon Sarlin
L’effondrement de l’Italie pré-unitaire  : l’exemple du royaume des Deux-Siciles
Das Ende des Königreichs beider Sizilien 1861 erinnert uns daran, dass der italienische Nationalstaat auf den Ruinen des Regimes der Restauration errichtet wurde und dass Zerstörung unvermeidlich einhergeht mit dem Prozess der Formierung oder der Umgestaltung des Staates. Trotz einer Erneuerung der Darstellung der Geschichte Italiens vor der Einheit bringt der Zusammenbruch seiner staatlichen Strukturen nach wie miteinander konkurrierende und teilweise widersprüchliche Interpretationen hervor. Die von den politischen Wissenschaften seit den 1990er Jahren erarbeiteten Modelle bieten nützliche Verständnishinweise, denn sie beschreiben die Faktoren hinter der Verletzlichkeit oder dem Versagen des politischen Systems. Aber eine genaue Untersuchung des Zusammenbruchs des südlichen Königreichs, angeregt durch eine Soziologie der Krise, die das Fließende der kritischen Konjunkturen berücksichtigt, lässt uns die Falle des Determinismus umgehen, in die die neue Geschichtsschreibung über Italien vor der Einheit manchmal geraten ist.

Maria Pia Casalena
Femmes et Risorgimento  : un bilan historiographique
Seit 15 Jahren interessiert sich die italienische Geschichtsschreibung für die Rolle der Frauen im Risorgimento. Diese Arbeiten konzentrierten sich entweder auf das soziale Milieu oder auf das politische und kulturelle Umfeld. Sie zeigen die Präsenz und Partizipation von Frauen im 19. Jahrhundert und tragen dazu bei, das Bild der Nation im 19. Jahrhundert wie auch das Ideal einer bürgerlich-liberalen Zivilisation auf der italienischen Halbinsel neu zu definieren. Indem die Fragestellung auf die Familien- und Elitengeschichte sowie auf die Untersuchung der Soziabilität und die politischen Bewegungen ausgedehnt wurde, hat die neuere Geschichtsschreibung gezeigt, dass einige wichtige Teile des Risorgimento mit einer Genderperspektive jetzt neu geschrieben werden können.

Tullia Catalan
Les juifs italiens et le Risorgimento  : un regard historiographique
Dieser Artikel nimmt die Geschichtsschreibung der Beteiligung italienischer Juden am Risorgimento in den Blick. Er möchte einen erneuerten Blick auf die laufende Forschung werfen und sowohl die Themen aufzeigen, die bisher analysiert wurden, wie auch diejenigen, die auf Bearbeitung warten. Im ersten Teil wird die Geschichtsschreibung der 1960er bis 1990er Jahre untersucht. Während dieser Zeit gab es ein Desinteresse an jüdisch-italienischer Geschichte des 19. Jahrhunderts, da die Prioritäten auf der Rekonstruktion der Dynamiken lag, die zu den italienischen Rassegesetzen und zur Schoah geführt haben. Im zweiten Teil wird der Wandel analysiert, der während der 1990er Jahre einsetzte und der den Beginn eines neuen Kapitels markierte. Dank der Anregungen der jüngsten Geschichtsschreibung des Risorgimento untersucht eine neue Generation von Historikern die vielseitigen Aspekte der italienisch-jüdischen Geschichte des 19. Jahrhunderts, vertieft sich in wichtige unbearbeitete Themen und betrachtet die inneren und äußeren Wege der italienisch-jüdischen Gemeinschaft während der Emanzipationsjahre.

Daniele Menozzi
L’historiographie catholique face au Risorgimento
Die Beteiligung der kirchlichen Oberhäupter an der ersten Hundertjahrfeier der italienischen Einigung im Jahre 1961 war durch den Wunsch geprägt, die aus dem Risorgimento resultierenden Teilungen zu überwinden. Fünfzig Jahre später zeigen die Katholiken anlässlich der Gedenkfeiern eine große Meinungspluralität. Die „Traditionalisten“, die durch die Verurteilung der Einheit ihre Nostalgie für die vergangene politische Situation zur Schau stellen, haben mittlerweile akademische Positionen erworben, die es ihnen ermöglichen, ihre Anti-Einheits-Ideologie unter einem universitären Deckmantel zu kaschieren. Die italienische kirchliche Hierarchie schließt sich einer positiven Bilanz der Einheit an. Aber indem sie den Katholizismus als wichtigstes Merkmal der nationalen Identität ansieht, unterstreicht die Kirche den Abstand, die den italienischen Staat von dieser auf Identität bezogenen Dimension trennt. Die demokratischen Katholiken versuchen sicherlich, eine „reelle Geschichte“ der Beziehungen zwischen Kirche und Staat zu fördern, allerdings ohne sich von der These einer fundamentalen Entsprechung von Katholizismus und Nation lösen zu können.

Massimo Baioni
Mémoires publiques du Risorgimento dans l’Italie libérale. Un parcours historiographique
Dieser Artikel gibt einen Überblick über neuere Studien, die im engen Dialog mit der europäischen Geschichtsschreibung den Zusammenhang zwischen der Konstruktion der öffentlichen Erinnerung an das Risorgimento und der verschiedenen Wege der politischen und kulturellen Nationalisierung Italiens in den Blick nehmen. Der Beitrag konzentriert sich dabei auf die Arbeiten, die sich mit den ersten 50 Jahren des vereinigten Königreichs beschäftigen (1861-1911). Es war eine entscheidende Phase für das Entstehen von Mythen des Risorgimento und für deren Einbindung in den politischen Diskurs, um sie in verschiedenen Strategien im Sinne einer patriotischen Pädagogie zu nutzen. Der Artikel konzentriert sich auf die dialektische Beziehung zwischen offiziellen und alternativen Erinnerungen, auf die Vielfalt der verwendeten Kanäle, um patriotische Mythen und Rituale zu verbreiten, auf die verschiedenen Akteure (nationale und lokale Institutionen, Vereine etc.), die den nationalen Diskurs und die Inszenierung des Risorgimento umgesetzt haben, sowie auf die verschiedenen Ebenen der Rezeption der patriotischen Pädagogik.

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